Kommt die beliebte Differenzbesteuerung bei Silbermünzen zurück?
Im Spätherbst 2022 setzte ein internes Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) der in Deutschland so beliebten Differenzbesteuerung bei Silbermünzen und Silbermünzbarren ein Ende. Bis zu diesem Zeitpunkt konnten Edelmetallfachhändler ihren Kunden einen Steuervorteil über den Bezug von Bullionmünzen aus Silber gewähren, die sie in einem Nicht-EU-Staat eingekauft hatten. Statt der vollen Mehrwertsteuer von 19 Prozent berechneten die Händler nur die Differenz zwischen dem An- und Verkaufswert. Anleger konnten so kräftig sparen und mehr Silber für ihr Budget erhalten.
Nach dem Aus durch das BMF verzeichneten Silbermünzen einen deutlichen Umsatzrückgang. Nun setzt sich die EU-Zollunion dafür ein, dass prägefrische Silbermünzen aus Drittländern zu einem Einfuhr-Umsatzsteuersatz von 8 Prozent eingeführt werden können. Für Silberinvestoren würde dies bedeuten, dass sie beim Kauf von Silbermünzen und Silbermünzbarren je nach Händlerangebot zwischen 5 und 10 Prozent an Umsatzsteuer sparen können.
Das Modell der Europäischen Zollunion sieht vor, dass Edelmetallhändler ihre prägefrische Ware zum Beispiel über Polen aus den Nicht-EU-Staaten beziehen. Denn die reduzierte Einfuhrumsatzsteuer (EUSt.) beträgt im Nachbarland lediglich 8 Hunderstel. Dadurch ergibt sich eine Ersparnis von maximal 11 Prozent, die der Händler teilweise an seine Kunden weitergeben kann.
So könnte die neue Differenzbesteuerung aussehen
Bereits im Februar 2024 hat die SOLIT Gruppe aus Wiesbaden als einer der ersten deutschen Fachhandelsbetriebe die neue Differenzbesteuerung wieder eingeführt. Dabei wendet das Unternehmen die vom BMF bestätigte Ausnahmeregelung an, wonach ein EU-Unternehmen Silbermünzen differenzbesteuert weiterverkaufen kann. Voraussetzung ist, dass die Ware zuvor über ein Land mit einem niedrigeren Einfuhrumsatzsteuersatz als Deutschland in die EU eingeführt wurde.
Die folgende Grafik veranschaulicht die Vorteile des differenzbesteuerten Kaufs von Anlagesilber am Beispiel einer Silbermünze Krügerrand zu einer Unze. Durchschnittlich liegt der Angebotspreis je Stück inklusive 19 Prozent Mehrwertsteuer in Deutschland bei rund 30 Euro. Davon entfallen 4,79 Euro auf die Umsatzsteuer. Über Polen eingeführt beträgt die Einfuhrumsatzsteuer jedoch nur 8 Prozent, also 11 Zähler weniger als in Deutschland. Abzüglich der Kosten für den Transport und die Zollabwicklung ergibt sich in diesem Beispiel eine Ersparnis von etwa 8,3 Prozent oder 2,30 Euro für den Käufer. Somit kostet der Silber-Krügerrand nur noch 27,70 Euro.
Die Problematik der fehlenden Lieferketten
In den vergangenen Jahren war es für deutsche Händler wenig sinnvoll, Silbermünzen ausschließlich in Drittländern einzukaufen, da sie den Steuervorteil nicht an ihre Kunden weitergeben konnten. Verstärkt wurde die Ware daher wieder direkt bei den internationalen Münzprägestätten oder den Großhändlern eingekauft. Um die neue Differenzbesteuerung in Deutschland einzuführen, müssen jedoch Lieferketten aufgebaut werden.
Die SOLIT Gruppe hat dies bereits über eine neu gegründete Tochtergesellschaft in Polen realisiert. Diese pflegt direkte Geschäftsbeziehungen zu bedeutenden Prägestätten in Drittstaaten wie Royal Mint (Britannia), Perth Mint (Känguru), South African Mint (Krügerrand) oder Royal Canadian Mint (Maple Leaf). Die Silbermünzen werden über die polnische Gesellschaft zu 8 Prozent Umsatzsteuer in die EU eingeführt. Somit können Anleger in Deutschland wieder Silbermünzen mit Differenzbesteuerung kaufen. “Für viele Anleger sind und waren Silbermünzen ein wichtiger Baustein in ihrem Portfolio”, erklärt Tim Schieferstein. Der Geschäftsführer der SOLIT Management GmbH rechnet vor, dass Anleger für einen Anlagebetrag von 10.000 Euro bei einem differenzbesteuerten Kauf etwa 28 Unzen mehr Silber erhalten als üblich. Das entspräche einer gesamten Münztube.
Da diese Lieferketten zwingend erforderlich sind, bedeutet dies für deutsche Edelmetallfachhändler, dass sie ebenfalls Zweigstellen in Polen installieren müssten, um längerfristig wettbewerbsfähig im Silbermarkt bleiben zu können. Als Alternativen bieten sich Kooperationen mit polnischen Händlern an sowie mit deutschen Großhändlern, die den Import aus Polen übernehmen können. Der Aufbau dieser Lieferwege dürfte jedoch mehrere Monate Zeit in Anspruch nehmen.
Gilt die aktuelle Differenzbesteuerung für alle Münzen?
Die neue Differenzbesteuerung kann zunächst nur auf prägefrische Silbermünzen unterschiedlicher Stückelungen sowie auf Silbermünzbarren zu einer Unze angewendet werden, die aus Nicht-EU-Staaten importiert werden. Weiterhin gilt sie für Silbermünzen aus EU-Staaten, die mit einem deutlich geringeren ermäßigtem Umsatzsteuersatz (als 19 Prozent) arbeiten.
Die bislang gültige Regelung der Steuerermäßigung gilt weiterhin für numismatische, historische Sammlermünzen sowie für “gebrauchte Ware”, die von Kunden angekauft wurde. Hintergrund ist, dass diese Münzen in der Vergangenheit bereits versteuert worden sind. Edelmetallhändler können beim Weiterverkauf die Differenzbesteuerung nutzen. Davon ausgenommen sind jedoch Nachprägungen historischer Silbermünzen. Diese zählen zur prägefrischen Neuware. Sie können nur vergünstig angeboten werden, wenn sie aus einem Drittstaat über Polen importiert werden.
Droht eine Wettbewerbsverzerrung?
Die Neuregelung der Differenzbesteuerung wird bereits von einigen Fachhändlern in Deutschland genutzt, doch ob sie sich auf Dauer durchsetzen wird, ist derzeit noch fraglich. Erste offizielle Beschwerden sind bereits innerhalb der EU eingegangen. Da nicht alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) über eine reduzierte Einfuhrumsatzsteuer verfügen, ergeben sich Wettbewerbsnachteile.
Weiterhin steht noch die Bestätigung der polnischen Regierung aus, ob die aktuell praktizierte Vorgehensweise auch zukünftig angewendet werden darf. So könnte die Ausnahmeregelung für eine Wareneinfuhr über Polen noch gekippt werden. Anleger sollten daher die Gelegenheit nutzen und günstig Silber per Differenzbesteuerung erwerben, solange dies möglich ist. Doch auch wenn die Regelung wieder aufgehoben wird, müssen Investoren keine Steuernachzahlungen befürchten.
Fazit: Zukunftsmodell oder nicht zukunftsfähig?
Ob sich die neu eingeführte Differenzbesteuerung bei Silbermünzen auf Dauer durchsetzen wird, ist fraglich. Sie ist derzeit noch von zahlreichen Unwägbarkeiten abhängig. Darüber hinaus verlangt eine Einfuhr über Polen von den deutschen Fachhändlern einen erhöhten Logistikaufwand mit einem schwer zu kalkulierenden Kostenfaktor. Diese Mehrkosten werden trotz der Steuerersparnis nicht alle Edelmetallhändler in Deutschland stemmen können. Daher dürfte sich das Angebot des differenzbesteuerten Kaufs von Silberwaren wohl in Grenzen halten.
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