Schatzsucher aus Norfolk findet angelsächsisches Goldobjekt
Derzeit gibt ein Goldobjekt britischen Archäologen Rätsel auf. Gefunden wurde es Ende Dezember 2023 in Großbritannien in der Grafschaft Norfolk. Den Gegenstand hatte ein Schatzsucher mithilfe eines Metalldetektors in der Nähe von Langham im Osten Englands entdeckt. Forschende datieren den Fund auf das achte oder neunte Jahrhundert, womit er etwa 1.200 Jahre alt ist. Das goldene Artefakt ist reich verziert und wurde mit Quecksilber veredelt, um das Motiv auf der Oberseite hervorzuheben, das ein Pferd darstellen könnte. Das Objekt hat Form und Größe eines Kronkorkens und sei für sein Alter erstaunlich gut erhalten, wie es in einer Pressemitteilung des Norfolk County Councils hieß. Wozu es ursprünglich diente, ist bislang ungeklärt.
Bei dem Artefakt handelt es sich genau genommen um ein vergoldetes Silberobjekt, das aller Wahrscheinlichkeit nach zur Verzierung eines Holzstabs eingesetzt wurde, der die lange Zeit in der Erde jedoch nicht überdauert hatte. Das Objekt besticht nicht nur durch seine außergewöhnliche Kunstfertigkeit, sondern ebenfalls durch die angewandte Technik. Um das Hauptmotiv auf der flachen Oberseite hervorzuheben, wurde das Goldpulver mit Quecksilber vermischt, das aus Spanien nach England importiert wurde. “Es ist so winzig und doch wurde es ebenso sorgfältig hergestellt wie eine Bibel oder ein Schmuckstück”, erklärt die britische Historikerin Dr. Helen Geake. Der angelsächsische Künstler hätte ganz offensichtlich ein “Auge für Schönheit” gehabt.
Details des vergoldeten Gegenstands
Das ehemals runde Objekt hat einen Durchmesser von 19,4 Millimeter und besitzt einen kurzen, gerade abstehenden Rand von 8,5 Millimetern Höhe, sodass es einen flachen, hohlen Zylinder bildet. Ein Seitenbereich ist nach innen eingedrückt, was zu einem Riss und einer Kerbe führte. Ansonsten ist die Kappe unversehrt.
Das Hauptmotiv auf der Oberseite zeigt ein stilistisches Tier, vermutlich ein liegendes schwarzes Pferd mit weißen Beinen, das über seine Schulter schaut. Umgeben ist es von einer feinen Struktur. Ein sorgsam gefertigtes Spiralmuster verziert den Seitenrand. Die Gestaltung erinnert die Archäologen an die Stile des Lindisfarne-Evangelismus oder die illustrierte irische Handschrift »Book of Kells«, die auf das 8. oder 9. Jahrhundert zurückzuführen ist.
Der Wert des kleinen Kunstwerks lässt sich nur schwer in Zahlen beziffern. Neben dem reinen Metallwert liefert es den Historikern wertvolle Einblicke in die Kunstfertigkeit der Angelsachsen. Zudem gilt es, das Geheimnis seiner Verwendung zu entschlüsseln. Denn laut Dr. Geake muss es sich um ein sehr wichtiges Symbol gehandelt haben. Dafür würden die kostspielige Materialauswahl und die reichen Verzierungen sprechen.
Norfolk, die Schatzkammer Englands
In der Grafschaft Norfolk kam es auch in der Vergangenheit immer wieder zu spektakulären Funden von Artefakten. Dazu zählt ebenfalls die größte Sammlung angelsächsischer Goldmünzen, die jemals in England gefunden worden ist. Über mehrere Jahrzehnte hinweg wurde der Goldschatz auf einem Ackerboden in West-Norfolk ausgegraben.
Darüber hinaus wurden in der Vergangenheit weitere ähnlich gestaltete Objekte wie die Goldkappe entdeckt. Doch wie beim aktuellen Fundstück war organisches Material, das Hinweise auf die Verwendung hätte geben können, längst verrottet. Weiterhin sind die Oberflächen und Farben oft nicht mehr so gut erhalten. Archäologen und Geschichtsforschende beschäftigen sich daher intensiv mit der ursprünglichen Nutzung dieser Artefakte.
Die angelsächsische Periode
In Großbritannien erstreckte sich die angelsächsische Periode im Altertum und frühen Mittelalter von 450 bis etwa 1066 n. Chr. Die Angelsachsen waren ein germanisches Sammelvolk überwiegend aus dem Norden Deutschlands, dem heutigen Niedersachsen und Schleswig-Holstein, die für eine dominierende Kultur auf der britischen Insel sorgten. Bis heute ist sie Bestandteil der englischen Sprache geblieben und gab England (Land der Angeln) seinen Namen.
So bestand das heutige England im Frühmittelalter aus vielen angelsächsischen Königreichen. Dazu gehörten die sieben Königshäuser von Essex, Kent, Merzien, Nordhumbrien, Ostanglien, Sussex und Wessex. Zusammen bildeten sie die sogenannte Siebenherrschaft, die auch als Heptarchie bezeichnet wird. Bis zum 9. Jahrhundert markierte sie die Aufteilung Englands.
Die angelsächsische Kunst ist bekannt für ihre eigenen Stile und Formen. Skulpturen, sakrale Gegenstände, Buchmalereien und eine textile Gestaltung gehören zu den wichtigsten Kunstwerken aus dieser Zeit. Beeinflusst wurde sie ab dem Jahr 597 von irischen Mönchen.
Ausstellung im Norwich Castle Museum?
Das Goldobjekt wurde von Gerichtsmedizinern offiziell zum Schatz erklärt, was seine Mystik unterstreicht. Das Norwich Castle Museum in Ostengland hat bereits Interesse bekundet, das außergewöhnliche Fundstück in seiner Sammlung auszustellen. In der ikonischen normannischen Burg sind herausragende archäologische Funde der dekorativen und bildenden Kunst sowie aus der Naturgeschichte Norfolks zu sehen. Dabei ist der angelsächsischen Epoche ein breiter Rahmen gewidmet.
Fazit: Historie erforschen als Herausforderung
Angesichts der epochalen Bedeutung eines Fundes wie der Goldkappe aus Norfolk ist sein materieller Wert von eher untergeordnetem Belang. Hier steht eine über tausend Jahre alte Kunstfertigkeit sowie eine außergewöhnliche Metallverarbeitung im Vordergrund, die allen Widrigkeiten und Umwelteinflüssen zum Trotz überdauern konnte. Die Experten stehen vor der großen Herausforderung, die ursprüngliche Bestimmung des Artefakts zu entschlüsseln und damit weitere Geheimnisse der Welthistorie offenzulegen.
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