Verhängen G7 und EU ein Goldembargo gegen Russland?

Auf der Liste möglicher Sanktionen gegen Russland stehen seit längerer Zeit auch Edelmetalle. Auf dem G7-Gipfel forderte die USA ein sofortiges Goldimportverbot. Bislang wurde es noch nicht ausgesprochen. Eine Frage der Zeit? Und was bringt es?
Verhängen G7 und EU ein Goldembargo gegen Russland?

Gerade ist das sechste Sanktionspaket des Westens gegen Russland auf den Weg gebracht worden und schon wird über weitere Maßnahmen zur Eindämmung des Ukraine-Kriegs diskutiert. Im Rahmen des G7-Gipfels in Deutschland hatten die Mitgliedsstaaten erstmals ein Einfuhrverbot von Gold und andere Edelmetalle aus dem kriegsführenden Land in Erwägung gezogen. Insbesondere die USA war hier federführend in der Argumentation. Tatsächlich ist Russland nach China und Australien der drittgrößte Goldproduzent der Welt mit einer jährlichen Minenförderung von über 300 Tonnen in 2021, so der World Gold Council.

Jedoch betrug das weltweite Exportvolumen von russischem Gold laut Statistikportal World’s Top Exports im Jahr 2021 gerade einmal 17,4 Milliarden Dollar. Zum Vergleich, der Exportwert von Öl und Gas belief sich im gleichen Zeitraum auf rund 241 Milliarden Dollar. Welchen Stellenwert hätte also ein Goldembargo der westlichen Welt gegen Russland und was würde dieser Schritt für den Goldmarkt und für Anleger bedeuten?

Kommt das Goldverbot für Russland und wie verhält sich die Schweiz?

Zu den sieben weltweit führenden Wirtschaftsnationen der G7 zählen Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, USA sowie das Vereinigte Königreich Großbritannien. Auch die Europäische Union (EU) ist bei den jährlich stattfindenden Treffen anwesend. Als EU-Mitglieder konnten Deutschland, Frankreich und Italien dem Goldeinfuhrverbot noch nicht zustimmen. Über weitere Sanktion müssen zunächst alle 27 Staaten der Europäischen Union abstimmen. Sollte das Embargo kommen, könnte die Schweiz in Zugzwang geraten.

Nachdem die Eidgenossenschaft im März und April 2022 kein Gold aus Russland importiert hatte, wurden im Mai wieder rund drei Tonnen Gold an Schweizer Scheideanstalten geliefert. Das gab das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG, vormals Eidgenössische Zollverwaltung) bekannt. Die Schweiz gehört nicht zur EU, hatte aber in den vergangenen Monaten die Sanktionen gegen Russland weitgehend übernommen. Sollten die G7 und die EU also ein Importverbot verhängen, könnte sich das neutrale Drittland erneut anschließen und müsste dann andere Importquellen nutzen. Das sollte jedoch kein Problem darstellen, denn die Schweiz zählt zu den führenden Goldhandelsnationen der Welt mit einem jährlichen Importvolumen von rund 2.200 Tonnen Gold. Der Anteil an russischem Edelmetall aus Mai entspricht damit gerade einmal zwei Prozent.

Gold-Embargo wirksame Maßnahme oder Symbolakt?

Ein Goldimport-Boykott gegen Russland wäre demnach für die Schweiz und wohl auch für die meisten G7- und EU-Staaten verschmerzbar. Doch würde es sich als Sanktion eignen und dabei helfen, Putins Kriegskasse zu schmälern? Experten sind bei dieser Frage eher zurückhaltend. So könnte Russland problemlos seine Goldexporte etwa nach China, Indien oder die Türkei ausweiten und den Boykott ohne nennenswerte finanzielle Verluste ausgleichen. Ganz anders würde sich die Situation beim Import anderer Edelmetalle wie Nickel, Zink oder Palladium aus Russland gestalten, da diese stärker von der Industrie nachgefragt werden und es bereits zu weltweiten Engpässen kam.

Was Anlagegold betrifft, hatte die London Bullion Market Association (LBMA) bereits im März Russlands führende sechs Goldraffinerien aus der Good Delivery List ausgeschlossen und die Zertifikate entzogen. Die Organisation zählt zu den bedeutenden außerbörslichen Handelsplätzen der Welt. Gold von LBMA-zertifizierten Herstellern genießt aufgrund der hohen Qualitätsstandards weltweites Ansehen und wird rund um den Globus als Handelsware akzeptiert. Somit ist Russland bereits die wichtigste Handelsplattform für Gold weggebrochen, wie die Tagesschau-Onlineredaktion Ende Juni analysierte. Nach Aussage der Experten hätte ein Gold-Embargo demnach eher einen symbolischen Charakter.

Boykott als Gamechanger für den Goldmarkt?

Ebenso gehen Finanzexperten davon aus, dass ein Gold-Boykott keinen gesteigerten Einfluss auf den Goldmarkt hätte. Anleger, die den Goldpreis aufmerksam beobachten, konnten feststellen, dass der Preis für eine Goldunze in Euro sowie in anderen Währungen ab Ende Februar mit Ausbruch des Ukraine-Kriegs deutlich anstieg und sogar ein neues Allzeithoch erreichte. Doch weder der LBMA-Ausschluss noch die Ankündigung eines möglichen westlichen Importstopps für Gold aus Russland hatten zusätzliche Auswirkungen auf den Sportkurs.

Goldpreis Chart - Gold-Spotkurs

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Für Thorsten Polleit, Chefvolkswirt Degusa Goldhandel ist daher folgendes Szenario denkbar: Ebenso wie bei Rohöl könnte auch für Gold ein geteilter Markt entstehen. Demnach könnte russisches Edelmetall zukünftig mit einem Abschlag gegenüber dem offiziellen Weltmarktpreis gehandelt werden. Weiterhin gelten unter Marktforschenden eher die hohen Inflationsraten sowie die weitere Entwicklung der Leitzinsen als Treiber für den Goldpreis.

Fazit: Investoren legen Wert auf Qualität

Hierzulande und in vielen weiteren Staaten ist LBMA-zertifiziertes Gold unter Investoren beliebt und dürfte nach wie vor Vorrang bei Anlageprodukten haben. Schließlich ist der Goldkauf auch Vertrauenssache und nicht selten emotional behaftet. Sein Ansehen auf dem Edelmetallmarkt für Investments hat Russland in der westlichen Welt bereits verspielt. So gesehen wäre ein Goldembargo nur noch eine offizielle Bestätigung.

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